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Indem sie dem Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative zustimmte, hat die Stimmbevölkerung im vergangenen Juni beschlossen, dass unser Land im Jahr 2050 netto keine Klimagase mehr ausstossen darf. Dieses Ziel ist somit demokratisch abgesegnet und zu respektieren. Damit ist allerdings noch überhaupt nicht klar, wie der Weg dahin aussehen soll.

 

Klimaziele Treibstoffabsatz

Im Jahr 2023 wurden fünf Prozent weniger Benzin und Diesel verkauft als 2019 vor dem Ausbruch der Covid-Pandemie.

Diesen Herbst hat die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren EnDK die revidierten Mustervorschriften für den Gebäudepark verabschiedet, die sogenannten MuKEN 2025. Dem Volksentscheid vom Juni folgend sehen diese konsequenterweise vor, dass spätestens ab 2050 alle Gebäude ohne CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen beheizt werden sollen. Doch was heisst das konkret?

Viele denken, dass gerade im Gebäudebereich der Ausstieg aus den fossilen Energien besonders einfach ist. Nichts scheint näherzuliegen, als rasch auf eine der zahlreichen klimaschonenden Alternativen umzusteigen, die es bei den Heizsystemen gibt. Doch allein schon der Blick in die Gebäudestatistik des Bundes zeigt, wie realitätsfremd die Vorschriften der EnDK sind.

Über eine Million fossil beheizte Gebäude
Das Mengengerüst sieht so aus, dass im Jahr 2022 rund 730 000 Gebäude mit Heizöl und 330 000 mit Erdgas beheizt wurden; insgesamt umfasst dies etwa 3 Millionen Wohnungen. Relativ gesehen heisst dies, dass in der Schweiz nach wie vor gut die Hälfte aller Wohngebäude mit dem einen oder anderen fossilen Energieträger beheizt wird. Schauen wir in der Statistik etwas zurück, sehen wir, dass im Jahr 2010 noch rund zwei Drittel aller Gebäude fossil beheizt wurden, was damals allerdings absolut gesehen praktisch genau derselben Anzahl entsprach wie 2022. Wir sehen also, dass der relative Anteil der fossilen Heizungen deutlich zurückgeht – denn Neubauten werden kaum noch fossil beheizt – ihre absolute Zahl jedoch nahezu unverändert bleibt. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass in den letzten Jahren der Umstieg von Öl auf Gas forciert vorangetrieben wurde. Der Absatz von Heizöl nimmt logischerweise kontinuierlich ab. Das hängt allerdings nicht nur mit dem Umstieg auf alternative Systeme zusammen, sondern auch mit dem Ersatz älterer Ölheizungen durch neue und energieeffizientere Modelle.

Doch zurück zum Ziel 2050: Um die Energiestrategieziele im Gebäudesektor zu erfüllen, müssten innerhalb der nächsten 25 Jahre jährlich 40 000 fossile Heizungen durch alternative Systeme ersetzt werden, pro Arbeitstag also etwas mehr als 150. Es liegt auf der Hand, dass für ein derartiges Vorhaben weder geeignete alternative Heizsysteme in genügender Zahl noch die finanziellen Mittel in Milliardenhöhe noch die qualifizierten Fachspezialisten vorhanden sind. Die Folge ist, dass beim Heizungsersatz in jüngster Zeit der Einbau von Gas- und Ölkesseln und –Brennern wieder zunimmt, während die alternativen Systeme stagnieren. Dies hielt der Fachverband GebäudeKlima Schweiz anlässlich seiner jüngsten Erhebung der Absatzzahlen im August 2024 fest.

Rekord bei den Fahrzeugen mit Tank
Auch im Verkehrssektor fördert ein Blick in die Statistik Überraschendes zutage. Die Automobilimporteure melden mit schöner Regelmässigkeit neue Verkaufsrekorde bei Neufahrzeugen mit alternativen Antriebstechnologien, wobei die Absatzzahlen bei den reinen Stromern in jüngster Zeit stagnieren. Aktuell verfügen bloss noch etwas über 40 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge ausschliesslich über einen Diesel- oder Benzinmotor. Für die Mineralölbranche sind das wichtige Indizien, stellt sich doch die Frage, wie sich die Geschäftsmodelle von Tankstellen und Treibstofflieferanten in den kommenden Jahren entwickeln werden.

Fakt ist nun aber auch, dass in der Schweiz noch nie so viele Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren zugelassen waren wie heute. Laut Bundesamt für Statistik waren 2023 rund 6,5 Millionen Motorfahrzeuge (ohne Mofas) eingelöst. Der Bestand der Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor, einschliesslich der Diesel- und Benzinhybride, belief sich dabei auf rund 6,25 Millionen Fahrzeuge, mehr als in irgendeinem Jahr zuvor. Der Anteil der ausschliesslich über eine Batterie gespiesenen Elektromobile (BEV) betrug bei den Personenwagen 3,3 Prozent, bei den Sachentransportfahrzeugen 1,8 Prozent.

Auf der einen Seite haben wir also eine rekordhohe Zahl an Fahrzeugen mit Tank und auch das stets wachsende Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung. Dem gegenüber steht die verbesserte Energieeffizienz der Antriebssysteme. Diese Trends halten sich aktuell mehr oder weniger die Waage, sodass der Absatz der Strassentreibstoffe über die Jahre gesehen kaum sinkt.

Überambitionierte Ziele schaden der Sache
Nichtsdestotrotz will der Bundesrat auch im Mobilitätsbereich realitätsferne Emissionsziele setzen. Laut Entwurf zur CO2-Verordnung, der sich bis Mitte Oktober in der Vernehmlassung befand, sollen die Emissionen des Strassenverkehrs bis zum Jahr 2030 auf 75 Prozent des Referenzjahres 1990 sinken.

Heute betragen die Emissionen bezogen auf 1990 laut Treibhausgasinventar des Bundes rund 92 Prozent. Von Bedeutung ist jedoch, was seit dem Höchststand der Emissionen im Jahr 2008 geschehen ist. Damals beliefen sie sich auf 112 Prozent, und seither verläuft der Absenkpfad mehr oder weniger linear und beträgt im Schnitt rund 0,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Dies allein ist eine Erfolgsgeschichte angesichts des stets wachsenden Güter- und Personenverkehrsvolumens auf der Strasse! Um nun das vom Bundesrat anvisierte Ziel 2030 zu erreichen, müssten in den verbleibenden 5 Jahren im Jahresdurchschnitt jedoch 0,5 Millionen Tonnen CO2 reduziert werden. Es gibt keine Anzeichen im Markt, dass in diesem kurzen Zeitraum ein solcher Umbruch stattfinden könnte: Die Treibstoffabsätze sinken voraussichtlich wie bisher um jährlich etwa 1,2 Prozent, die Beimischquote klimaneutraler biogener Treibstoffe stösst an die Grenze der aktuell geltenden Normen, die Fahrleistungen nehmen zu. Bei einer Reduktionsrate der CO2-Emissionen im Verkehrssektor im bisherigen Rahmen werden sie 2030 rund 85 Prozent des Jahres 1990 betragen.

Im Grunde genommen zeigen diese Beispiele eine Erfolgsgeschichte: In der Schweiz sinken die Treibhaus­gasemissionen trotz wachsender Bevölkerung und guter Wirtschaftslage. Andererseits verdeutlichen sie auch, dass sich die Realität nicht zwingend an wohlgemeinte ambitionierte Ziele hält. Zum Erfolgsmodell Schweiz gehört unter anderem die Bereitschaft, unbequemen Realitäten ins Auge zu blicken und pragmatische Kompromisse zu finden. Zur Realität gehört, dass die Mineralölwirtschaft heute über 45 Prozent des Energiebedarfs der Schweiz deckt. Wer diesen Energieträger in 25 Jahren eliminieren will, nimmt massive und wohl auch zerstörerische Eingriffe in unser Wirtschaftssystem und den privaten Besitzstand in Kauf. Pragmatismus beim Klimaschutz würde bedeuten, nicht auf fixen Zielen und linearen Absenkpfaden zu beharren. Solche klingen zwar gut in der politischen Debatte, führen aber zum Vertrauens- und Motivations­verlust, wenn sie nicht erreichbar sind und wohl oder übel eines Tages korrigiert werden müssen. Zielführender wäre es, konsequent in die Erforschung und Entwicklung wirtschaftlich tragbarer Alternativen zu investieren, um dereinst die heute so bedeutenden und erfolgreichen fossilen Energieträger ohne soziale und wirtschaftliche Kollateralschäden ablösen zu können.