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Elektro-Autos gelten als umweltfreundlich, weil ihr Fahr-Wirkungsgrad hoch ist. Doch das Bild trügt. Nimmt man den gesamten Lebenszyklus in den Blick, ist ein Elektroauto unter Umständen sogar weniger umweltfreundlich als konventionell angetriebene Autos.

 

Betrachtet man nur den Fahrvorgang, sind mit Benzin und Diesel betriebene Autos weniger umweltfreundlich als Elektroautos. Sobald der Motor läuft, entweichen ihrem Auspuff CO2-Emissionen, die den Klimawandel beschleunigen. Im Gegensatz dazu gelangt man im Elektroauto von A nach B, ohne Abgase in die Luft zu pusten. Auf diesem Argument insistieren die Elektromobilitätshersteller, um der Notwendigkeit eines rasanten Umbaus des globalen Fahrzeugparks Nachdruck zu verleihen.

Doch die Argumentation der Elektromobilitätslobby ist unvollständig. Denn sie blendet die Vorgeschichte der zwei unterschiedlichen Antriebssysteme vor deren Einbau ins Fahrzeug aus. Bis ein Motor durch Drehen des Zündschlüssels in Gang gesetzt wird, muss er nämlich in aufwendigen Verfahren erst gebaut werden. Wie gross der ökologische Fussabdruck eines Fahrzeugantriebssystems von der Konstruktion über den effektiven Mobilitätseinsatz bis hin zur Verschrottung tatsächlich ist, kann daher nur eine sogenannte Lebenszyklusanalyse (LCA) beantworten.

Spezialisiert auf die Erstellung solcher LCA für unterschiedliche Technologien und Produkte ist das Schweiz-Kanadische Jungunternehmen Quantis, gegründet im Jahr 2009 von Wissenschaftlern der ETH Lausanne und der École Polytechnique in Montréal. Unter der Leitung von Rainer Zah, Geschäftsführer von Quantis Schweiz/Deutschland mit Sitz in Zürich, wurde kürzlich eine umfassende Studie mit dem Titel «Chancen und Risiken der Elektromobilität in der Schweiz» durchgeführt. Fazit: Zur nachhaltigen Senkung der CO2-Emissionen auf der Strasse ist die Elektromobilität nicht das allmächtige Wunderheilmittel. Sie ist nach dem heutigen Stand der Technik Teil der Lösung, aber auch Teil des Problems. 

Erhöhter CO2-Ausstoss in der Produktion von Elektromotoren

Wie ist diese ambivalente Beurteilung zu verstehen? Sie hat mit den unterschiedlichen Phasen des Lebenszyklus zu tun, die Verbrennungsmotoren und batteriebetriebene Elektromotoren durchlaufen. Wie erwähnt übertrumpft das Elektroauto den Benziner oder Diesel bezüglich Wirkungsgrad beim Fahren, und zwar um das Drei- bis Vierfache. Der Benziner kann nur 20 % des Treibstoffs in Bewegungsenergie ummünzen, die restlichen 80 % verpuffen in Form von Abgasen und Abwärme, mit der wenigstens im Winter noch die Heizung im Auto betrieben werden kann. Beim Elektromotor ist das Verhältnis umgekehrt. Vier Fünftel der Batterieleistung wird direkt in Bewegungsenergie zur Fortbewegung umgesetzt.

Unvorteilhafter präsentiert sich indes der ökologische Fussabdruck des Elektroantriebs in der Produktionsphase. «Die Herstellung eines Elektromobils verursacht im Durchschnitt ein Drittel mehr CO2-Emissionen als die Produktion eines konventionellen Fahrzeugs», sagt Rainer Zah. Grund dafür sind die energieintensiven Verfahren zur Herstellung der in Elektroautos verwendeten Lithium-Ionen-Batterien. Es braucht dafür grosse Strommengen.

Stellt man Produktion und Betrieb einander gegenüber, schneiden Verbrennungs- und Elektromotor aus ökologischer Sicht also je einmal besser und schlechter ab. Wie die Gesamtbeurteilung der Elektromobilität im Rahmen der LCA-Studie ausfällt, hängt entscheidend davon ab, woher der Strom für die Produktion von elektrischen Antriebssystemen stammt. Rainer Zah: «Wird der Strom für die Herstellung mehrheitlich aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Wasserkraft und Photovoltaik gewonnen, fällt auch die LCA-Gesamtbilanz des Elektromotors deutlich besser aus als jene des Verbrennungsmotors. Wird der Strom hingegen hauptsächlich aus Kohlekraftwerken mit hohen CO2-Emissionen bezogen, ist die Elektromobilität gegenüber den Benzin- und Dieselautos sogar im Nachteil.»

Elektroautos: Bewegung statt staatliche Subventionen

Die Überzeugung des Wissenschaftlers, dass eine staatliche Subventionspolitik zugunsten der Elektromobilität verfehlt wäre, wird durch die Ergebnisse der LCA-Untersuchungen bekräftigt. «Es liegt an den Autoherstellern selbst, die Ökologisierung und Reduktion der CO2-Emissionen sowohl von Elektro- wie auch Verbrennungsmotoren weiter voranzutreiben.» Dieser Prozess sei auch im Gang. Die Studie geht davon aus, dass sich die durchschnittliche Reichweite von Elektrofahrzeugen mit einer vollgeladenen Lithium-Ionen-Batterie von heute 150 auf rund 500 Fahrkilometer bis zum Jahr 2030 vergrössern wird. Eine Verdreifachung seiner Leistungskraft habe der gleiche Batterien-Typ bereits im ICT-Sektor (z.B. Handybranche) vollzogen, dies einfach in der Zeitspanne von 1990 bis 2010. In der Mobilitätsbranche werde die Lithium-Ionen-Batterie noch eine ganze Weile der Standard bleiben, sagt Rainer Zah. «Vom Durchbruch einer radikal neuen, noch leistungsstärkeren Batterie ist zumindest bis 2030 derzeit nicht auszugehen.» 

Viel zur ökologischen Optimierung der Mobilität könne vor allem eine bessere Nutzung beitragen. Dazu müssten die Erkenntnisse der LCA-Studie aktiv angewendet werden. Rainer Zah erklärt. «Weil Benzin- und Dieselautos beim Fahren im Verhältnis viel mehr CO2 ausstossen als bei der Produktion, eignen sie sich aus ökologischer Sicht vor allem für Gelegenheitsfahrer.» Anders bei den Elektroautos. «Sie können ihre nach der Herstellung schlechte Schadstoffbilanz erst aufbessern, wenn sie auch regelmässig auf der Strasse sind und schadstofffrei Kilometer abspulen.»

Wer also einen Tesla kauft, um ihn mehrheitlich in der Garage stehen zu lassen, ist kein Klimaschützer. Eine derartige «Elektro-Immobilität» fügt der Umwelt sogar zusätzlichen Schaden zu. Wird dagegen ein Elektromobil intensiv gefahren, indem es beispielsweise mit der Nachbarschaft geteilt wird, kann sein ökologischer Fussabdruck sogar kleiner werden als jener des öffentlichen Verkehrs.

INFO: Die vollständige Studie «Chancen und Risiken der Elektromobilität in der Schweiz» ist elektronisch verfügbar unter: https://www.ta-swiss.ch/elektromobilitaet/

Text: Robert Wildi

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