Die Terminkontrakte an den Ölmärkten (Ölfutures) gaben am Freitag nicht nur im Tagesverlauf nach, sondern verbuchten auch auf Wochensicht leichte Verluste. Für Verkaufsdruck sorgte vor allem der Dollar, der zur Wochenmitte aufgrund der US-Inflationsdaten beträchtlich zulegen konnte. Da die Ölfutures in Dollar gehandelt werden, werden sie für Käufer ausserhalb der USA teurer und damit weniger attraktiv.
Zu diesem preisdämpfenden Faktor kommt hinzu, dass mit dem stärker als erwarteten Anstieg der US-Verbraucherpreise im Oktober, der nicht zuletzt durch die hohen Energiepreise verursacht wurde, auch der Druck auf US-Präsident Joe Biden zunahm, etwas gegen die hohen Benzinpreise für US-Endverbraucher zu unternehmen. Diesbezüglich steht immer noch die Freigabe von Öl aus den strategischen Reserven der USA zur Debatte. Diese Maßnahme scheint immer mehr Fürsprecher zu finden. So empfahl erst am gestrigen Sonntag der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, im Rahmen einer Pressekonferenz, die Freigabe strategischer Ölreserven und verwies dabei auch auf die hohen Benzinpreise.
Die Frage bleibt jedoch, welchen Effekt eine solche Freigabe auf den Ölmarkt und die Preise hätte. «Die meisten Investoren würden zustimmen, dass die Wirksamkeit einer SPR-Freigabe oder eines Exportverbots Biden die Möglichkeit bietet, präsidentenhaft zu wirken, aber die meisten sind sich einig, dass die Marktauswirkungen wahrscheinlich minimal sind», so ein Investor. Ein Analyst verwies derweil auf eine weitere potenzielle Maßnahme zur Eindämmung der Preise: «Es scheint eine begrenzte Anzahl von Karten zu geben, die die USA ausspielen können, um die Inflation zu bekämpfen, nämlich eine SPR-Freigabe, eine Zinserhöhung und eine Lockerung der Beschränkungen für iranische Ölexporte», erklärt der Analyst. «Die schnellste Lösung mit längerfristiger Wirkung wäre der Iran. Das würde die Preise mit zusätzlichem Angebot nach unten drücken.»
Allerdings wurden die nächsten Gespräche über die Rückkehr zum Iran-Atomabkommen von 2015 erst für den 29. November anberaumt und sollten diese ähnlich verlaufen wie die Wiener Gespräche im Frühjahr, dürfte es noch keine direkten Gespräche zwischen den Delegationen der USA und des Irans geben. Und was eine Zinsanhebung anbelangt, wäre Biden wohl darauf angewiesen, abzuwarten, ob die US-Notenbank eine solche bereits früher als bisher angedeutet, für nötig hält. Mischt sich der US-Präsident aktiv in die Entscheidungen der Fed ein, wäre es wohl mit der Unabhängigkeit der Notenbank vorbei.
Während es aus dem Weißen Haus weiterhin heißt, man prüfe alle verfügbaren Maßnahmen, mit denen man gegen die hohen Preise vorgehen kann, werden die Marktteilnehmer bis zu einer Entscheidung wohl erst einmal im Auge behalten, ob es von Seiten der Nachfrage Anzeichen für eine Entspannung gibt. Die OPEC hatte in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht mit ihrer um 330’000 Barrel pro Tag nach unten korrigierten Nachfrageprognose für das laufende Quartal diesbezüglich schon einmal für kurzfristig dämpfende Impulse gesorgt. Der Bericht der US Energieinformationsbehörde EIA sieht hingegen eine sinkende Nachfrage eher mittel- bis langfristig. Am morgigen Dienstag steht nun noch der Monatsbericht der Internationalen Energieagentur zur Veröffentlichung aus, bevor die Marktteilnehmer ihre Aufmerksamkeit wieder auf die wöchentlichen US-Ölbestandsdaten richten werden, die zuletzt auf eine allmähliche Entspannung der Versorgungslage hingedeutet hatten.